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Samtgemeinde Gellersen

Ein Name auf Umwegen: Gellersen

Die mit Spannung erwartete und von der Presse rechtzeitig angekündigte Veröffentlichung vom "Urkundenbuch der Bischöfe und des Domkapitels von Verden" hat für die Geschichte der Samtgemeinde Gellersen einige Überraschungen hervorbringen können.

Die Gefahr wie auch das reizvolle bei der Urkundenforschung und einer damit zusammenhängenden Festlegung einer "ersten" urkundlichen Erwähnung bleibt immer die Möglichkeit, dass es noch irgendwelche Schriften gibt oder noch gefunden werden, die noch nicht ausgewertet und/oder veröffentlicht worden sind. Es bleibt demnach nichts anderes übrig, als mit dem zu leben, was zur Zeit "auf dem Markt" ist.

So haben wir Gellerser also 1998 in einem kleinen Rahmen den 875. Geburtstag der Samtgemeinde Gellersen gefeiert. Eine Urkunde Nr. 15 der Verdener Geschichtsquellen von Wilhelm von Hodenberg nannte den Ort "Geldessen" bereits 1123 im Zusammenhang mit einem Gütertausch.

Das Problem war und ist aber der Zeitraum von 5 Jahren (1120 - 1125), in dem dieses Ereignis urkundlich erfasst wurde. Durchaus nicht ungewöhnlich, wurde das Mittelmaß, also 1123 genommen und entsprechend der Geburtstag "um 875 Jahre" gefeiert. So weit so gut. Mit diesem Ergebnis dachten wir, können wir ein paar Jahrzehnte sehr gut leben:

Und doch muss hiermit öffentlich verkündet werden: Die Samtgemeinde wurde bereits früher schriftlich erwähnt. Und zwar genau am 25. Oktober 1117.

An diesem Tag starb nämlich Bischof Mazzo von Verden. Der Mindener Domprobst Diedolf und seine Brüder Dietrich und Hildebodo hatten dem Verdener Domkapitel Güter u. a. in "Geldessen", vereinfacht gesagt, im Tausch gegen einige Zehntrechte überlassen. Dieser Tausch wurde an diesem Tag urkund-lich festgehalten. Er vollzog sich jedoch vermutlich bereits um 1110/11.

Die Dörfer der Samtgemeinde Gellersen sind somit im Jahr 2001 bereits 884 Jahre lang schriftlich erwähnt worden. Die o. g. Urkunde Nr. 15 aus den Verdener Geschichtsquellen bestätigt nur noch diesen Tausch durch den nachfolgenden Bischof Thietmar II. Der Kreis schließt sich also wieder an dieser Stelle. Im Bezug auf diesen Gütertausch dürften also keine unvorhersehbaren Urkunden mehr auftauchen.

Aber auch andere Urkunden in diesem erst im Frühjahr 2001 erschienenen Urkundenbuch verbergen interessante Ansätze für die Ortsnamenforschung der Gellersen-Dörfer im Einzelnen und der Samtgemeinde im Besonderen. Wenn im vorherigen immer von der "urkundlichen Erwähnung der GeIlerser Dörfer" gesprochen wurde, so hängt das mit der Tatsache zusammen, dass nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden kann, welches der Gellersen-Dörfer nun mit diesem "Geldessen" gemeint ist. Süder-, Kirch- oder Westergellersen stehen schließlich zur Auswahl.

Man kann davon ausgehen, dass die Differenzierung nach den Himmelsrichtungen erst relativ spät, vermutlich erst im 13. Jahrhundert stattgefunden hat.

Man muss sich das folgendermaßen vorstellen: Nachdem die Keimzelle, vermutlich Kirchgellersen, ca. 500 - 800 n. Chr. im Sinne einer Siedlung, das heißt in einer dorfähnlichen Struktur, entstand und ihren Namen "Geldherdeshusen" (Grundform) erhielt, gab es irgendwann einmal eine Siedlungsteilung, oder aber westlich und südlich gelegene Siedlungen haben sich parallel dazu entwickelt.

Und jetzt kommt der Knackpunkt bei dieser Geschichte: Die anderen Dörfer erhielten keinen eigenen sondern führten parallel den gleichen Namen (erster differenzierter Ortsname "Kerkgeldersen" erst 1236). Wenn man so will, wie eine alte, kleine "Ursamtgemeinde".

Genau diese Theorie konnte aufgrund der vorliegenden Urkunden nachgewiesen werden. Die immer wieder auftauchende einfache Bezeichnung "Gellersen" in ihren abenteuerlichsten Variationen z. B. als Ortsangabe, in dem ein ganz bestimmter Gütertausch stattgefunden hatte, deutet eindeutig darauf hin. Was bisher fehlte, war eine Urkunde, in dem alle 3 Dörfer in ihrer einfachen Bezeichnung ohne Zusatzbezeichnung aufgeführt worden waren.

Das hat sich mit einer Entdeckung im o. g. Urkundenbuch geändert. In der Urkunde Nr. 433 aus dem Jahre 1252 ist in einer Auflistung bischhöflicher Tafelgüter die Rede von Gütern in

Tres ville Gellerssen ...

- 3 Dörfer/Orte Gellersen. Keine Differenzierung - alle Dörfer hießen schlicht und einfach gleich.

Wie man sich vorstellen kann, wurde es irgendwann - als die Dörfer zu groß wurden und damit viel zu tauschen, kaufen usw. gab oder zu viel Einwohner vorhanden waren - sehr schwierig, ein Dorf zweifelsfrei zu benennen, wenn alle gleich "Geldersen" o. ä. hießen. Folgerichtig musste eine Differenzierung her. Vergleichbare Entstehungen von anderen Dorfnamen sind in der Litera-tur beschrieben (Deutsche Namenkunde, A. Bach).

Der zentrale Ort (vielleicht auch Keimzelle) führte zunächst weiter den ursprünglichen Namen, den anderen Dörfern wurde vorzugsweise ein präpositionales oder andersartiges Attribut (Himmelsrichtung) oder ein Bestimmungswort beigefügt.

So entstanden also die Namen Kirch-, Süder- und Westergellersen vermutlich zu Anfang des 13. Jahrhunderts. Angewandt wurden sie urkundlich für Kirchgellersen ab 1236, für Süder- und Westergellersen ab 1267. Diese Daten stellen also die ersten urkundlichen Erwähnungen der ausgebildeten Dorfnamen dar. Die einheitliche Anwendung der differenzierten Namen nach den Himmelsrichtungen hat sich jedoch nicht flächendeckend sofort durchgesetzt. Die Anzahl der immer noch im Gebrauch befindlichen Grundform zu dem voll ausgebildeten Namen hielten sich ungefähr die Waage. Damit war aber Mitte des 14. Jahrhunderts Schluss. Eine Gewöhnung hatte offensichtlich stattgefunden, und es wurde richtigerweise überwiegend differenziert.

Die letzte Erwähnung der Grundform "Gheldersen" konnte für das Jahr 1361 (Urkundenbuch der Stadt Lüneburg) ausgemacht werden. Ab diesem Datum konnten nur noch urkundliche Erwähnungen der ausgebildeten Ortsnamen Kirch-, Wester- und Südergellersen gefunden werden.

Die Form "Gellersen" im Sprachgebrauch für Kirchgellersen wurde jedoch bis ins 19. Jahrhundert hinein verwandt.

Übrigens:
Der Theorie der Anlage sogenannter "Himmelsrichtungsdörfer" als staatlich befohlene Anlage durch die Franken um 800 steht bereits die am Namen "Geldherdeshusen" abzulesende sekundäre Differenzierung entgegen: Während in unserem Fall bereits ein voll ausgebildeter Ortsname vorhanden ist, nämlich "Gelderdeshusen", sind Namen, die fränkischer Kolonisation entwachsen sind, wie "Northeim", "Ostheim" oder "Westhofen", in der Regel aus einem einfachen Grundwort gebildet.

Außerdem wäre es doch ausgesprochen merkwürdig, Dörfer staatlich einen vollen Namen zu geben, und dann jahrhundertelang dann doch nur bei einem Bruchteil des Namens zu nennen. Zumal es dann offensichtlich zu Verwechslungen kommen kann und wird. ODER???

Lutz Tetau
Archivar der Samtgemeinde Gellersen

  

 

Urkundliche Erwähnungen der Ortsnamen:  

1117

Geldessen (UB d. Bischöfe u. Domkapitels v. Verden)

1123

Geldessen (UB d. Bischöfe u. Domkapitels v. Verden)

1180

Ghelderdessen (Mindener Geschichtsquellen 1)

1229

Geldersen (Urkundenbuch der Stadt Lüneburg)

 

Erste Erwähnung Kirchgellersens:

1236

Kerkgelderssen (UB d. Bischöfe u. Domkapitels v. Verden)

1244

Geldersen (UB d. Z.-Klosters Scharnebeck)

1244

Gellerdessen (UB d. Bischöfe u. Domkapitels v. Verden)

1252

Gellerssen (UB d. Bischöfe u. Domkapitels v. Verden)

1252

Gelderdessen (UB d. Bischöfe u. Domkapitels v. Verden)

 

Erste Erwähnung Südergellersens:

1267

Sutghellerdersen (UB d. Z.-Klosters Scharnebeck)

 

Erste Erwähnung Westergellersens:

1267

Westergeldersen (Urkundenbuch der Stadt Lüneburg)

1267

Gelderdissen (UB d. Z.-Klosters Scharnebeck)

1267

Gelderdessen (UB d. Z.-Klosters Scharnebeck)

1271

Geldersen (UB d. Z.-Klosters Scharnebeck)

1275

Gelderdessen (UB d. Z.-Klosters Scharnebeck)

1277

Gelderdessen (UB d. Z.-Klosters Scharnebeck)

1308

Geldersen (Urkundenbuch des Klosters St. Michaelis)

1313

Gelddessen (Urkundensammlung S d. P.-Klosters Heiligenthal)

1314

Geldersen (Urkundensammlung S d. P.-Klosters Heiligenthal)

1317

Ghelderdissen (Urkundensammlung S d. B.-Klosters Lüne)

1319

Ghellerdessen (Urkundensammlung S d. P.-Klosters Heiligenthal)

1325

Ghyllerdessen (Urkundenbuch des Klosters St. Michaelis)

1326

Ghelderdessen (Urkundenbuch des Klosters d. M. M. z. Isernhagen)

1326

Ghelderssen (Urkundenbuch der Stadt Lüneburg)

1328

Ghelderdessen (Urkundenbuch des Klosters St. Michaelis)

1332

Gellerdessen (Urkundenbuch des Klosters St. Michaelis)

1335

Suderghelderdessen (UB d. Z.-Klosters Scharnebeck)

1335

Suderghelderdissen (UB d. Z.-Klosters Scharnebeck)

1335

Kercgheldessen (Urkundenbuch der Stadt Lüneburg)

1336

Sudergelderdessen (Urkundenbuch des Klosters St. Michaelis)

1337

Sudergeldersum (Urkundenbuch des Klosters St. Michaelis)

1339

Westergheldersen (Urkundensammlung S d. P.-Klosters Heiligenthal)

1340

Westerghelderschen (Urkundenbuch des Klosters St. Michaelis)

1345

Westergelderssen (Urkundenbuch des Klosters St. Michaelis)

1353

Kerkgeldersen (Urkundenbuch der Stadt Lüneburg)

1367

Kerkgeldersen (Urkundenbuch des Klosters St. Michaelis)

1367

Westhern Geldersen (Urkundensammlung S d. P.-Klosters Heiligenthal)

1367

Sudergeldersen (Urkundensammlung S d. P.-Klosters Heiligenthal)

1383

Sudergheldersen (UB d. Z.-Klosters Scharnebeck)

1394

Kerkgeldersen (Urkundenbuch des Klosters St. Michaelis)

1472

Sudergelderssen (UB d. Z.-Klosters Scharnebeck)

1474

Westergeldersen (Salzhausen)